Ralf Isau Der Kreis der Dämmerung 1
Das Jahrhundertkind
Buchlisten
»Das Jahrhundertkind« (Der Kreis der Dämmerung 1) von Ralf Isau
Ralf Isaus „Der Kreis der Dämmerung“ besteht aus vier Teilen und erzählt nebenbei die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Am ersten Januar 1900 wird in Japan ein ganz besonderes Kind geboren, das Jahrhundertkind. Seine Hebamme prophezeit ihm ein hundert Jahre dauerndes Leben. David Camden, Sohn des britischen Diplomaten in Tokio, kommt nicht nur weißhaarig zur Welt, sondern kann auch die Farben der Dinge ändern, strahlt Wahrhaftigkeit aus verfügt über die Gabe der Sekundenprophetie. Noch weiß er nichts vom Geheimnis seines Vaters. Der Earl von Camden fällt immer wieder in Depressionen, wenn wichtige Vertreter der bestehenden Ordnung sterben oder ermordet werden. In seiner Kindheit wurde er als Hausdiener Lord Belials Zeuge der Verschwörung eines mächtigen Geheimordens. Der Kreis der Dämmerung beschloss, durch Anschläge und Manipulation der Mächtigen den Untergang der Menschheit zu beschleunigen. Nachdem er knapp dem Anwesen entkam, dessen Angestellte bald darauf ums Leben kamen, lebt der Earl in Angst vor Lord Belial und seinem Schatten Negromanus.
David weiß noch nichts von seiner Bestimmung, aber die fanatischen Anhänger des Kreises verfolgen unerbittlich ihr Anliegen, die Menschen zur Selbstvernichtung zu treiben.
Meinung
Dieser Vierteiler hat sich viel vorgenommen: er schildert nicht nur ein Kampf einiger weniger gegen einen ominösen Bund mächtiger Männer, sondern er versucht dies mit den wichtigen Ereignissen des letzten Jahrhunderts zu verknüpfen. Dieser Band beginnt mit Davids Jugend in Japan, zeigt ihn im ersten Weltkrieg und folgt ihm nach Großbritannien, Schottland und Amerika. Die Verbindung von Davids Leben mit Weltgeschichte gelingt über weite Strecken, Geschichte wird in Davids Leben lebendig und vermischt sich mit Fiktion. Doch zuweilen wirken die Anmerkungen zu Musik, Kunst usw. etwas kontextlos eingefügt bzw. zu extensiv und lassen den Roman in Richtung Geschichtswerk abdriften.
Dabei scheint der Roman seine Stärke in den Beziehungen zwischen den Figuren zu haben. Am stärksten war für mich der Anfang, der den Schwerpunkt auf Davids Erlebnisse legt und geschichtliche Ereignisse nur nebenbei erwähnt. Rührend ist zum Beispiel die Freundschaft zwischen David und dem japanischen Prinzen, der in starren Konventionen gefangen ist. An dem Prinzen wird die Beziehung zwischen dem Glück des Einzelnen und der Gesellschaft besonders deutlich.
Es sind übersteigerter Nationalismus, Aberglaube und Intoleranz, die immer wieder zu gewalttätigen, radikalen Strömungen im Land führen. Isau schildert sehr wortgewaltig, wie absurd und menschenfeindlich Regierungen und Werte sein können.
Der Autor hat eine Vielzahl sympathischer, ja liebenswerter Gestalten geschaffen. Den menschenfeindlichen Geheimbündlern stellen sich immer wieder hilfsbereite, gute Menschen entgegen. Leider sterben die meisten von ihnen, ohne dass der Kreis auch nur in Erscheinung tritt. Einziges Kennzeichen ist eine Deformierung des Rückens, wenn Negromanus seine Hände im Spiel hatte.
Das Jahrhundertkind ist größtenteils auf der Flucht und in Furcht vor dieser Übermacht. Dass David mit all seinen Kräften nicht den Kampf wagt und nicht einmal einsieht, dass er gegen den Zirkel gewaltsam vorgehen muss, war für mich wenig verständlich. Es zehrt definitiv an den Nerven, den Tod so vieler Unschuldiger zu sehen, ohne dass die dunkle Seite überhaupt Verluste erleidet. Immerhin macht David eine gewisse Entwicklung durch, wenn er von der völligen Ablehnung von Gewalt zu der Einsicht gelangt, dass dem Kreis der Dämmerung anders nicht beizukommen ist.
Trotz seiner Kräfte bleibt er in seinen Emotionen und Gedanken nachvollziehbar und menschlich.
Fazit
„Der Kreis der Dämmerung“ ist ein sehr geschichtslastiger, auch phantastischer Roman für alle Altersklassen, der sich manchmal ein wenig in der Fülle geschichtlicher Informationen zu verlieren droht. Die unterschiedlichen, sympathischen Figuren bilden ein Gegengewicht zu den vielen schweren Schicksalsschlägen, die der junge Protagonist erleidet. Wer gerne seine Geschichtskenntnisse auffrischen möchte oder gerne historische Romane liest, tut sicher keinen Fehlgriff. Dafür gebe ich 8½ Sterne.